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Gipfel der Mächtigen?

Es ist das erste Frühlingswochenende mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen um die 20° und in den Gärten der Vorstadt blühen Blumen und Sträucher.

Blühende Vorgärten in Neuhof bei Strasbourg

Blühende Vorgärten in Neuhof bei Strasbourg

Und doch kann ich dieses Wochenende nicht in vollen Zügen genießen, denn ich bin in Strasbourg und es herrscht der Ausnahmezustand, denn 28 sog. Mächtige der NATO haben zu einem Medienspektakel gerufen, das sie NATO-Gipfel nennen und bei dem in 1 1/2 Tagen Grundlegendes und unheimlich Wichtiges besprochen und beschlossen werden soll. Der Terminplan zeigt, dass von grundlegender Besprechung wohl kaum die Rede sein kann. Denn insgesamt bleiben vielleicht 3 bis 4 Stunden für wirkliche Gespräche und Diskussionen im Kreise der 28. Die Ergebnisse, die zum Abschluss präsentiert wurden, waren längst zuvor auf niedrigerer Ebene besprochen und ausverhandelt worden. Genau aus diesem Grunde ist die diplomatische Blamage für Deutschland und Frankreich perfekt, als die türkische Delegation beschließt, den Lieblingskandidaten der EU und Amerikas erst einmal kein Vertrauen zu schenken. Der Däne Rasmussen musste bis Samstag um ca. 14:30 warten, bis er den einstimmigen Segen als neuer Nato-Generalsekretär erhalten hat. Das die Türkei nicht sehr glücklich mit dem Wahlvorschlag war, hat sie vor dem Nato-Gipfel schon mehr als deutlich gemacht. Merkel und Sarkozy drängten aber auf eine schnelle Lösung und hofften, dass der dänische Ministerpräsident schon am Samstag als der neue Nato-Chef inthronisiert werden könnte. Solch eine politische Panne ist entweder Dummheit oder von langer Hand geplant gewesen, um die deutsch-französische Macht zu demonstrieren, wie es die Kanzlerin und der französische Präsident ja auch auf dem G20-Gipfel schon getan haben. Nachdem beide innenpolitisch extrem unter Druck stehen, versuchen sie offensichtlich den alten Trick mit der Außenpolitik, um bei den Wählerinnen und Wählern Pluspunkte zu sammeln. Wie dem auch sei, professionell war das nicht.

Polizei vor der Oper in Strasbourg

Polizei vor der Oper in Strasbourg

Polizei vor der Oper am Place Broglie

Das einzige, was höchst professionell vorbereitet war, waren die Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei hat sich alle erdenkliche Mühe gegeben, den Befehl ihres Präsidenten auszuführen, der verlauten ließ, dass er keinen Demonstranten in der Stadt sehen wolle. Sarkozy ist dafür bekannt, dass Polizeichefs und Präfekten schon einmal entlassen werden, wenn es ihnen nicht gelingt, das Antlitz ihres „Sonnen-Präsidenten“, nur mit wohlwollenden Jubelpersern zu erfreuen. Die Kontrollen verschärften sich seit Donnerstagabend fast stündlich und dies vor allem für die Anwohner, die zum Teil trotz der extra ausgegebenen Zugangsberechtigungen vor Kontrollpunkten lange Wartezeiten in Kauf nehmen mussten, nur weil eine baldige Ankunft von Delegationsmitgliedern, die Straße passieren sollten, angekündigt war. Der Großteil der dafür eingesetzten Sicherheitskräfte hat sich nicht gerade durch Kommunikationsfähigkeit ausgezeichnet. Prinzipiell wusste niemand, wie lange und warum man zu warten hatte. Der öffentliche Nahverkehr war am Freitag einfach eingestellt worden und ist erst wieder seit heute Morgen im vollen Umfang aktiv. Dass es zu Krawallen kam und mehrere Gebäude abbrannten, muss nicht noch einmal erwähnt werden, denn dies ging gestern ohnehin durch alle Medien. Dass Gewalt keine Lösung ist, das ist eine Selbstverständlichkeit, weswegen ich auch keine Lust habe, mich davon explizit zu distanzieren. Über die Gewaltspirale bei solchen Großveranstaltungen werde ich einen gesonderten Artikel verfassen, der in den nächsten Tagen zu lesen sein wird.
Das Bedauernswerteste an der Berichterstattung ist, dass es dabei nur zwei Schwerpunkte gibt. Ergebnisse des Nato-Gipfels und die Gewalt drumherum. „Obama kommt nach Deutschland, Michelle trifft Carla, Rasmussen ist der neuer Generalsekretär und die Demonstranten haben Gebäude abgebrannt. Schade.“, so beschreibt es der Kollege Julian Heißler in seinem Blog. Ich werde heute am Nachmittag noch einmal versuchen, auf dem Gegen-Gipfel einige Stimmen und Stellungnahmen einzufangen und dann über die Ergebnisse und Diskussionen des Gegengipfels berichten.

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Nicht alle lieben Obama

Gestern war der amerikanische Präsident Barack Obama mit seiner Ehefrau Michelle in Baden-Baden und Strasbourg sehr umjubelt. In Strasbourg wurde er zusammen mit Nicolas Sarkozy und dessen Frau Carla von 500 begeisterten UMP Mitgliedern (Jubelperser) am Palais Rohan empfangen. Dem sympathischen, amerikanischen Präsidenten ist es allerdings auch nicht gelungen, den Fehlstart des Gipfels zu verhindern. Die Suche nach einem neuen NATO-Chef ist deutlich schwerer geworden. Der favorisierte Rasmussen scheiterte bis dato am Einspruch der Türkei, die ihm sein Verhalten im Zusammenhang mit den Mohammed-Karikaturen nicht verziehen haben. Die Nato-Gegner wird es freuen, wollen sie die Nato doch sowieso auflösen und lehnen die Nato als „Kriegsorganisation“ ab. Auch Barack Obama ist auf der Beliebtheistsskala dieser Demonstranten nicht sehr weit oben angesiedelt.

Das Programm der NATO für heute ist voll gepackt mit auf der einen Seite symbolischen Gesten, wie dem Handshake auf der Europabrücke zwischen Merkel und Sarkozy. Das Zeichen der Brücke und der Versöhnung wirkt aufgrund der restriktiven Grenzkontrollen und der massiven Sicherheitsmaßnahmen eher paradox. Auch, dass man die angemeldete Demonstration um 13 Uhr in den Outbacks am Hafen genehmigt hat, ist für mich demokratisch eher bedenklich. Denn wenn ich mein Grundrecht auf Demonstration fast 5 km vom eigentlichen Ort des Geschehens durchführen muss, dann hat das nichts mehr mit einem demokratischen Verständnis in meinem Sinne zu tun. Wenn solche Maßnahmen Schule machen, dann wird das Demonstrationsrecht ad absurdum geführt. Die vielen sehr jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind zum Teil sichtlich frustriert und haben das Gefühl, ihre Meinung nicht mehr artikulieren zu können. Die Strategie, die systemkritische Jugend zu isolieren und zu kriminalisieren ist dauerhaft nach meiner Ansicht demokratieschädigend. Auch der massive Einsatz von Tränengas wird nicht gerade als Souveränität der Staatsmacht gesehen. Gestern setzte die Polizei sogar Tränengas gegen „schaulustige“ Anwohnerinnen und Anwohner in Neuhof ein. 2 Polizisten schossen 2 bis 3 mal Tränengas in Richtung der Zuschauerinnen und Zuschauer. Ein eher ungewöhnliches Vorgehen von „sogenannten“ Sicherheitskräften. Die Polizisten gaben mir gegenüber keine Begründung für dieses Verhalten sondern zuckten wortlos mit den Achseln.

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Sarkozy trifft in seinem Hotel ein

Sarkozy fährt vor sein Hotel in Strasbourg

Sarkozy fährt vor sein Hotel in Strasbourg

Um ca. 13:50 ist Nicolas Sarkozy im Hotel Sofitel am Rande der Strasbourger Innenstadt angekommen. Die Präfektur und die Polizei verschärft die Sicherheitsmaßnahmen in Strasbourg erneut und zieht sich so den Unmut von vielen Geschäftsleuten und Anwohnern zu. „Das ist ja unglaublich, warum haben wir dann Ausweise erhalten“, beklagt sich ein Anwohner der Zone Orange, der seit mehr als 20 Minuten an einer Sperre warten muss. Außerdem hat die Präfektur aufgrund der gestrigen Auseinandersetzungen das Gebiet um das Gericht kurzerhand zur „Zone Rouge“ erklärt.

Auch ich habe die verstärkten Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen am eigenen Leib zu spüren bekommen. Ich wohne gleich neben Sarkozys Hotel und musste heute schon mehrmals an unerwarteten Kontrollen warten, um in meine Wohnung zu gelangen.

Personenkontrollen werden immer stärker

Während ich an einem Einlasspunkt wieder warten musste, unterhielt ich mich mit 3 jungen Deutschen, die offensichtlich zu den Nato-Gegnern gehörten und dort als Sanitätsteam aktiv sind. Unsere Personalien wurden überprüft, mit dem Hinweis auf das verdächtige Aussehen meiner Gesprächspartner, außerdem versuchten die Beamten, dem Sanitätsteam Informationen über geplante Aktionen zu entlocken.

Der öffentliche Nahverkehr in Strasbourg ist mit der Begründung der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen bis 17:00 Uhr komplett stillgelegt. Solche Maßnahmen bestätigen die Befürchtungen vieler Strasbourger Bewohner, dass solch ein Gipfel zu erheblichen Einschränkungen auch im täglichen Leben führen werde. Auch die Einzelhändler, die von der Stadt immer wieder zum Öffnen ihrer Geschäfte angehalten wurden, zeigen sich ob der Sicherheitsvorkehrungen sehr bestürzt, da zum Teil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Sicherheitspunkten lange Wartezeiten in Kauf nehmen mussten oder nicht passieren konnten. Es bestätigt sich nach meiner Meinung, dass ein Ort wie Strasbourg für so ein politisches Großereignis wenig geeignet ist.

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Ich bin ein Sicherheitsrisiko

Ich gehe an meinen Briefkasten und sehe einen braunen Briefumschlag darin liegen. Es ist ein Schreiben vom "Ministere de l´Interieur de la securité Interieure des Libertes Locales – Direction Generale de la Police Nationale". Mein erster Gedanke: "Was will denn das Innenministerium im Form der Nationalpolizei von mir?" Als ich das Kuvert aufreiße und die enthaltenen Dokumente lese wird es mir klar: Ich bin ein potentielles Sicherheitsrisiko während des Nato-Gipfels am 3. und 4. April, denn ich wohne in der Hochsicherheitszone und muss meine Ausweisnummer, mein Geburtsdatum und meine Adresse bekannt geben. Aus der Zeitung erfahre ich, dass im Hotel, 50 Meter von meiner Wohnung entfernt, Nicola Sarkozy übernachtet und Barack Obama eventuell auch im Sofitel Halt macht.
Die Straßburger müssen ab Donnerstag,dem  2. April mit erheblichen Beeinträchtigungen leben. Die Innenstadt ist Hochsicherheitszone. 12 Schulen werden gesperrt, was die Schüler allerdings sehr freuen wird. Die 7 Hochzeitspaare, die nicht wie gewünscht im Prunksaal des Rathauses heiraten können, werden weniger erfreut sein. Sie können sich das Ja-Wort in einem Betonklotz aus den 80ern  geben und werden um Entschuldigung gebeten. Auch die Einzelhändler in der Innenstadt können ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 3 Tage Sonderurlaub geben, denn die müssen ihre Geschäfte geschlossen halten. Jeder und jedem kann ich nur empfehlen, am 3. und 4. April um Strasbourg und Baden-Baden einen sehr weiten Bogen zu machen, denn zu sehen wird es nichts geben, da alles gesperrt ist. Ich hoffe,  meinen Anwohnerausweis rechtzeitig zu erhalten, um dann zumindest ab und zu auf die Straße zu dürfen. Selbstverständlich habe ich bei der Nato auch um eine Akkreditierung als Journalist angesucht und werde vom Nato-Gipfel live berichten.

Die Verantwortlichen in Strasbourg freuen sich auf den Nato-Gipfel, die Innenstadtbewohner bereiten sich elsässisch entspannt auf ein "Hochsicherheitswochenende" vor und hoffen, dass bald der 5. April ist.

Webnews

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Frankreich drohen Massenstreiks

Wie ich heute im Le Figaro gelesen habe, droht Frankreich für diese Woche ein Massenstreik. 8 Gewerkschaften haben sich zu diesem Zweck zusammen getan. Bestreikt wird der gesamte öffentliche Nah- und Fernverkehr, die Post, verschieden Banken, Schulen und Universitäten.

CGT-Gewerkschaftsführer Bernard Thibault erwartet eine „spektakuläre Beteiligung“ an dem Streik am kommenden Donnerstag. „Alle Gewerkschaftsverbände rufen auch in Unternehmen, die solche Appelle nie gekannt haben, zum Streik auf“, sagte der CGT-Chef am Montag im Radiosender „France Inter“ und fügte hinzu: „Die Beteiligung der Arbeitnehmer an diesem Protesttag wird beeindruckend sein, weit jenseits von dem, was man in den letzten Jahren gesehen hat.“

Aufschrei des Zorns

Einen „Aufschrei des Zorns“ vonseiten der Lohnempfänger, erwartet der CFDT-Chef François Chereque. „Es besteht eine wirkliche Notwendigkeit für die Arbeitnehmer, klar zu sagen, dass es ungerecht ist, dass sie mit ihren Löhnen, ihren Arbeitsplätzen, ihren erworbenen Rechten die Konsequenzen einer Krise zahlen müssen, für die sie nicht verantwortlich sind“, sagte Chereque im Hörfunk BFM.

Der Élysée-Palast spricht davon, dass die Menschen in solchen Aktionen ihren „Dampf“ ablassen und will sich davon nicht weiter beeindrucken lassen. „Die Sozialisten, die den Streikaufruf unterstützen, spielten mit dem Feuer“, so der Budgetminister Woerth in einem Interview mit dem Sender „Radio J“. Er habe die Befürchtung, dass die Sozialisten gegen das Land arbeiten würden, um so wieder an die Macht zu kommen, was er persönlich nicht so recht verstehen könne. Auch zeigt er sich besorgt über eine mögliche Radikalisierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Die Krise schafft viele Befürchtungen und manchmal brutale Reaktionen“, so Woerth.

Die Bevölkerung unterstützt nach Umfragen die Ideen und Ziele der Sozialbewegung mit großer Mehrheit. ( zu 70 % laut CSA-Umfrage und sogar zu 75 % laut IFOP-Umfrage) Das dies nicht der letzte Streiktag sein wird, davon kann man ausgehen, hat doch die Protestbewegung für den 2. Februar einen erneuten Aktionstag schon ins Auge gefasst. Viele politische Beobachter sehen in den Streiks auch eine Rache an der arroganten Politik von Nicolas Sarkozy. Der französische Staatspräsident arbeitet in den letzten Wochen und Monaten mit einer Grandezza daran, die negativen Zustimmungswerte eines Georg W. Bush noch zu überbieten. Erst in der letzten Woche gab es einen Riesenprotest im Parlament, weil Sarkozy die Möglichkeit schaffen wollte, auch ohne Debatte Gesetzentwürfe zur Abstimmung zu stellen. Die Sozialisten sangen aus Protest die Marseillaise und verließen unter Demokratie! Demokratie! Rufen das Parlament.

Die Forderungen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise in Stichpunkten:

  • Beschäftigungsprogramm initiieren und umsetzen
  • Steuererleichterungen bzw. Abgabenkürzung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
  • Rücknahme der Kürzung von 30.000 Stellen im öffentlichen Dienst
  • Steigerung der Kaufkraft durch moderate Lohnerhöhungen

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Sarkozy ein Schläfer?

Ich habe es immer gewusst, es gibt nicht nur muslimische Schläfer, sondern auch 68er Schläfer. Sarkozy entpuppt sich in den letzten Monaten als wahrer Verteidiger und Umsetzer der 68er Ideen.

Zuerst heiratet er Carla Bruni, die einer Kommune 1 würdig gewesen wäre. Hat sie doch einen höheren Promiverschleiß als einst Uschi Obermaier.

Nun verhilft er einer alten politischen Idee der 68er zu neuem Glanz. Die Verstaatlichung der Schlüsselindustrie ist seine Idee und Antwort auf die Globalisierung und die sog. „Heuschrecken“. Solche Ideen hat bis dato nicht einmal Oskar Lafontaine in Deutschland verbreitet. In der SPD müsste Sarkozy mit einem Parteiausschlussverfahren wegen parteischädigendem Verhalten rechnen. In Frankreich galt Sarkozy als ein Hardliner und Neokonservativer und ist deswegen auch in der gaullistischen UMP.

Meine Befürchtung ist, dass er den Weg durch die Instanzen als einziger, wirklicher 68er überlebt hat. Er hat die Strategie der paradoxen Intervention gewählt. Wer hätte schon gedacht, dass ein rechtskonservativer, französischer Präsident ein Ex-Model und eine als Vamp verrufene Sängerin heiratet und dann im Rahmen einer zu erwartenden Finanzkrise einfach die Schlüsselindustrie in Europa verstaatlichen will? Stamokap vom Feinsten nenne ich sowas und das war eindeutig die Domäne der sozialistisch orientierten Studentenschaft in den 68er Jahren. Gegen Sarkozy sieht der Alt 68er Daniel Cohn-Bendit ja wie ein Spießer und angepasster Politopa aus.

Für mich ist klar – Sarkozy ist der wahre Schläfer in Europa und will es jetzt wissen, ob die Ideen der 68er nicht doch zu einer besseren Welt führen.

Vive la révolution – Vive la France – Vive Sarkozy!

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Er ist ehrgeizig und machtbewusst – und pöbelt

Die Newsweek zeigt ihn auf dem Titelblatt und widmet ihm die Titelstory in ihrer Ausgabe vom 30. Juni 2008. Als EU-Ratspräsident und im Fall Betancourt ist er in allen Medien und trotz alledem ist sein Ruf – selbst in Frankreich – ein katastrophaler. Die Rede ist von Nicolas Sarkozy, Sohn eines 1944 aus Ungarn geflüchteten Landadeligen und der Juristin Andrée Mallah, die Enkeltochter eines jüdischen Juweliers aus Thessaloniki.

Sein politischer Machtwille zeigte sich schon sehr früh.  Schon mit 22 Jahren war er Gemeinderat in der Stadt Neuilly-sur-Seine, dort wurde er 1983 auch Bürgermeister und blieb bis 2002 im Amt. Von 1993 bis 1995 war er Haushaltsminister und von 2002 bis 2004 Innenminister in Frankreich.

Seine Pöbeleien sind legendär. So bezeichnete er Demonstranten als „Gesindel“ und beschwerte sich bei einem Rentner, dass dieser ihm nicht den notwendigen Respekt zollte. Vor wenigen Tagen erst attestierte er leicht gereizt einem Techniker des Fernsehsenders FR3 eine sehr schlechte Erziehung, weil dieser ihn nicht gegrüßt hatte. „Ca va changer“ oder „Das wird sich ändern“ soll er gesagt haben. Er meinte damit wahrscheinlich die Kinderstube in Frankreich, wie es die Liberation interpretierte und drohte dem Techniker keinesfalls. Allerdings konnte Frankreich nicht sehr viel Charme von ihm erwarten, ist er doch eher für seine derbe Art bekannt und als Politiker war er noch nie als Sprachkünstler oder gar Präsidial aufgefallen. Sogar seine Dritte Ehefrau Carla Bruni-Sarkozy bescheinigt ihm ein „Cretin“ zu sein. So war in ihrer Biografie zu lesen, dass sie eigentlich nicht mit „Cretins“ essen ginge, aber für ihn eine Ausnahme gemacht habe. Das ist der charmante Beginn einer leidenschaftlichen Beziehung. Kein Präsident hat es bis dato geschafft, innerhalb so kurzer Zeit soviel Sympathien in Frankreich zu verspielen. Auch die PR-Offensive mit Ingrid Betancourt wird ihm nur kurzfristig helfen, sein Image zu polieren.

Seine Medienpolitik ist in Frankreich nicht nachvollziehbar, nicht wenige vermuten, dass er Berlusconi  II. werden wolle. Seine Angriffe auf die öffentlich rechtlichen Medien führen zu extremem Widerstand in den Medien. Der Chef des staatlichen Fernsehens hat sich für seine Verhältnisse mehr als deutlich zu den Plänen und der Auffassung des Staatspräsidenten geäußert und das nicht sehr positiv.

Seine EU-Agenda wird im eigenen Land als zu hochtrabend angesehen, denn 5 Punkte solcher Tragweite in einem halben Jahr erledigen zu wollen, scheint selbst den größten Europaoptimisten zu optimistisch zu sein.

Die Lissabonvereinbarung retten, Europa zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen, die Einwanderungspolitik in Europa harmonisieren, die Auswirkungen der Globalisierung auf die Bevölkerung vermindern, die Mittelmeerunion an den Start bringen, eine EU-Verteidigungspolitik soll Wirklichkeit und die Neuverteilung der Agrarsubventionen soll in Angriff genommen werden. Eine Agenda, die für 10 Jahre reichen würde, will „Speedy Sarko“ in einem halben Jahr durchdrücken und das wenn es geht, ohne die jetzigen Besitzstände zu gefährden. Er will also die Quadratur des Kreises und wird damit scheitern, wie kaum ein Ratspräsident vor ihm. Seine Kommunikationsstrategie ist wenig diplomatisch. Er hat es in einer Woche geschafft, die EZB gegen sich aufzubringen. Er hat außerdem den britischen EU-Handelskommissar Peter Mandelson bei der WTO in Misskredit gebracht und somit die EU-Administration düpiert. Für die Agenda, die er sich auf die Fahne geschrieben hat, ist dies alles mehr als kontraproduktiv. Schauen wir uns doch mal die Pläne im Detail an:

  1. Mittelmeerunion: Schon am 13. Juli soll während eines EU-Gipfels die sog. „Union für das Mittelmeer“ gegründet werden. Sie soll sich dann um konkrete Projekte im Bereich Wasser, Infrastruktur und Umweltschutz kümmern. Die Einladung von Lybiens Staastschef Ghadaffi, sowie die Nahostkrise, gefährden diese Union allerdings schon im Vorfeld und auch ein Großteil der EU-Mitgliedsstaaten ist nicht gerade begeistert über diese Idee von Sarkozy. Führte sie doch bereits zu leichteren Verstimmungen zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy.
  2. Klimaschutz: Um 20 % sollen der CO2-Ausstoß bis 2020 reduziert werden. 20 % des Energiebedarfs soll aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Frankreich setzt dabei ganz auf die für Sarkozy umweltfreundliche Atomenergie. Dies wird mit Deutschland und den Deutschen kaum machbar zu sein, von Österreich ganz abzusehen.
  3. Einwanderungspolitik: Sarkozy, ein Hardliner im Bereich Einwanderung, obwohl selber Nachfahre von Einwanderern, will härtere Maßnahmen für illegale Einwanderer. Diese sollen schneller als bisher abgeschoben werden. Menschlichkeit ist dabei keine Kategorie, wie Sarkozy in Frankreich neuerdings immer mehr beweist. Außerdem will er auf EU-Ebene Massenlegalisierungen verbieten. Spanien hat seinen Widerstand schon angekündigt.
  4. Verteidigung: Sarkozy will die EU-Eingreiftruppe, Flugzeugträgerverbände und eine gemeinsame Verteidigungspolitik der EU. Frankreich wäre sogar bereit, zu diesem Zwecke wieder der Nato beizutreten, obwohl die EU auch ohne NATO agieren könnte. Der autonome Planungsstab soll seinen Sitz in Brüssel haben. Einige Mitgliedsstaaten halten allerdings nicht viel von der Doppelstrategie EU/NATO.
  5. Agrarpolitik: Sarkozy will eine Reform der Agrarpolitik ab 2012 vorbereiten. Diese soll sich vor allem durch folgende Punkte auszeichnen: Priorität von EU-Agrarprodukten, die Garantie für eine Lebensmittelversorgung mit eigenen Produkten und mehr Geld für die Agrarforschung. Viele sehen darin ein nicht ganz uneigennütziges Projekt, denn die französische Landwirtschaft ist bis dato der Hauptprofiteur der EU-Agrarsubventionen.
  6. Rettung der Lissabonvereinbarung: Auch hier will er die Quadratur der Kreises. Er will das Votum der Iren ernst nehmen und akzeptieren und hält doch an einer Ratifizierung fest. Dass eine Reform wünschenswert ist, darin besteht für mich kein Zweifel. Allerdings verabschieden sich immer mehr Regierungen in die Büsche, ob Österreichs SPÖ, die schwedisch SAP oder der polnische Staatspräsident, alle wollen nicht einfach weiter so wie bisher bei der Ratifizierung mit machen. Auch der deutsche Bundespräsident Köhler wartet auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Lissabon ist nicht zu retten, so meine Einschätzung. Ein neuer Vertrag muss her und der wird dann wohl oder übel über Volksabstimmungen ratifiziert werden müssen.

Es ist keine leichte Ratspräsidentschaft für Nicolas Sarkozy, deshalb gönne ich ihm den PR-Zirkus im Fall Betancourt. Obwohl jeder weiß, dass Sarkozy mit der Befreiung nichts zu tun hatte, soll er doch einige Tage öffentlich genießen, denn die Zeiten werden schnell wieder andere werden.

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