Es ist das erste Frühlingswochenende mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen um die 20° und in den Gärten der Vorstadt blühen Blumen und Sträucher.
Und doch kann ich dieses Wochenende nicht in vollen Zügen genießen, denn ich bin in Strasbourg und es herrscht der Ausnahmezustand, denn 28 sog. Mächtige der NATO haben zu einem Medienspektakel gerufen, das sie NATO-Gipfel nennen und bei dem in 1 1/2 Tagen Grundlegendes und unheimlich Wichtiges besprochen und beschlossen werden soll. Der Terminplan zeigt, dass von grundlegender Besprechung wohl kaum die Rede sein kann. Denn insgesamt bleiben vielleicht 3 bis 4 Stunden für wirkliche Gespräche und Diskussionen im Kreise der 28. Die Ergebnisse, die zum Abschluss präsentiert wurden, waren längst zuvor auf niedrigerer Ebene besprochen und ausverhandelt worden. Genau aus diesem Grunde ist die diplomatische Blamage für Deutschland und Frankreich perfekt, als die türkische Delegation beschließt, den Lieblingskandidaten der EU und Amerikas erst einmal kein Vertrauen zu schenken. Der Däne Rasmussen musste bis Samstag um ca. 14:30 warten, bis er den einstimmigen Segen als neuer Nato-Generalsekretär erhalten hat. Das die Türkei nicht sehr glücklich mit dem Wahlvorschlag war, hat sie vor dem Nato-Gipfel schon mehr als deutlich gemacht. Merkel und Sarkozy drängten aber auf eine schnelle Lösung und hofften, dass der dänische Ministerpräsident schon am Samstag als der neue Nato-Chef inthronisiert werden könnte. Solch eine politische Panne ist entweder Dummheit oder von langer Hand geplant gewesen, um die deutsch-französische Macht zu demonstrieren, wie es die Kanzlerin und der französische Präsident ja auch auf dem G20-Gipfel schon getan haben. Nachdem beide innenpolitisch extrem unter Druck stehen, versuchen sie offensichtlich den alten Trick mit der Außenpolitik, um bei den Wählerinnen und Wählern Pluspunkte zu sammeln. Wie dem auch sei, professionell war das nicht.
Polizei vor der Oper am Place Broglie
Das einzige, was höchst professionell vorbereitet war, waren die Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei hat sich alle erdenkliche Mühe gegeben, den Befehl ihres Präsidenten auszuführen, der verlauten ließ, dass er keinen Demonstranten in der Stadt sehen wolle. Sarkozy ist dafür bekannt, dass Polizeichefs und Präfekten schon einmal entlassen werden, wenn es ihnen nicht gelingt, das Antlitz ihres „Sonnen-Präsidenten“, nur mit wohlwollenden Jubelpersern zu erfreuen. Die Kontrollen verschärften sich seit Donnerstagabend fast stündlich und dies vor allem für die Anwohner, die zum Teil trotz der extra ausgegebenen Zugangsberechtigungen vor Kontrollpunkten lange Wartezeiten in Kauf nehmen mussten, nur weil eine baldige Ankunft von Delegationsmitgliedern, die Straße passieren sollten, angekündigt war. Der Großteil der dafür eingesetzten Sicherheitskräfte hat sich nicht gerade durch Kommunikationsfähigkeit ausgezeichnet. Prinzipiell wusste niemand, wie lange und warum man zu warten hatte. Der öffentliche Nahverkehr war am Freitag einfach eingestellt worden und ist erst wieder seit heute Morgen im vollen Umfang aktiv. Dass es zu Krawallen kam und mehrere Gebäude abbrannten, muss nicht noch einmal erwähnt werden, denn dies ging gestern ohnehin durch alle Medien. Dass Gewalt keine Lösung ist, das ist eine Selbstverständlichkeit, weswegen ich auch keine Lust habe, mich davon explizit zu distanzieren. Über die Gewaltspirale bei solchen Großveranstaltungen werde ich einen gesonderten Artikel verfassen, der in den nächsten Tagen zu lesen sein wird.
Das Bedauernswerteste an der Berichterstattung ist, dass es dabei nur zwei Schwerpunkte gibt. Ergebnisse des Nato-Gipfels und die Gewalt drumherum. „Obama kommt nach Deutschland, Michelle trifft Carla, Rasmussen ist der neuer Generalsekretär und die Demonstranten haben Gebäude abgebrannt. Schade.“, so beschreibt es der Kollege Julian Heißler in seinem Blog. Ich werde heute am Nachmittag noch einmal versuchen, auf dem Gegen-Gipfel einige Stimmen und Stellungnahmen einzufangen und dann über die Ergebnisse und Diskussionen des Gegengipfels berichten.